TANA

Ziel des Projektes TANA ist es, Konzepte für multifunktionale Innenraugestaltungen für Nachtzüge zu entwerfen, die auch im Tagverkehr genutzt werden können, um die Wirtschaftlichkeit der Nachtzüge zu verbessern.

Auftraggeber: bmk, Mobilität der Zukunft, 18. Ausschreibung

Laufzeit: Juni 2022 bis Mai 2024 (24 Monate)

Projektpartner: Fachhochschule St. Pölten GmbH; FH JOANNEUM Gesellschaft mbH; Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften School of Engineering; HILFSGEMEINSCHAFT DER BLINDEN UND SEHSCHWACHEN ÖSTERREICHS; Molinari Rail GmbH; moodley industrial design GmbH; Siemens Mobility Austria GmbH; Dr. Elisabeth Oberzaucher

LOI-Partner: ÖBB Personenverkehr AG; DB Fernverkehr AG; Transport for Greater Manchester; Verein FAHRGAST; Fahrgastverband PRO BAHN; Pro Bahn Schweiz; Stadler Rheintal AG; Verband der Bahnindustrie; apt-Design; Andreas Vogler Studio; nose design experience; Deutsches Zentrum für Raum und Luftfahrt e.V.; Aston University Birmingham

Projektbeschreibung:  Infolge der verschärften Klimaschutzziele in der Europäischen Union und des wachsenden Bewusstseins für nachhaltige Mobilität erleben aktuell Nachtreisezüge eine Renaissance. Nachtreisezüge werden auch gerne von Menschen mit Flugangst, aus Komfortgründen oder infolge der Covid-Pandemie wegen der besseren Privacy bzw. der angenommenen geringeren Ansteckungsgefahr im Vergleich zu Flugreisen genutzt. Die Reisenden in Nachtreisezügen sind hinsichtlich der Reisezwecke und der damit verbundenen Anforderungen ähnlich heterogen aufgestellt wie im Tagverkehr. Es gibt Familien, Privatreisende, Geschäftsreisende, sehr preissensible und umgekehrt sehr komfortbewusste Reisende. Diese Vielfalt führt auch zu einem erforderlichen vielfältigen Service- und Ausstattungsangebot.

Nachtreisezüge haben im Vergleich zum Flugverkehr das Potential, die Fläche besser zu erschließen. Während Flüge im Regelfall Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen größeren Städten sind, für die aus der oder in die Region entsprechende Vor- oder Nachlaufverkehre erforderlich sind, können Nachtzüge bei einer geeigneten Einsatzplanung umsteigefreie Verbindungen auch im Vor- und Nachlauf anbieten. Darüber hinaus gibt es Konzepte für Hochgeschwindigkeitsnachtreisezüge in Europa, die Entfernungen von bis zu 2000 km in attraktiven Reisezeiten ermöglichen.

Eine große Herausforderung für Nachtreisezüge stellt jedoch der wirtschaftliche Betrieb dar. In konventionellen Nachtreisezügen ist die erzielbare Belegungsdichte geringer als in Tageszügen. Die Plätze werden im Regelfall für den gesamten Lauf des Zuges nur einmal vergeben. Der Personalaufwand und teilweise der betriebliche Aufwand sind oft höher als bei Tageszügen. Zusätzlich sind Nachtzüge im Regelfall nicht am Tag im Einsatz sondern stehen „unproduktiv“ in Abstellanlagen. Dies führt dazu, dass viele Nachtreisezüge nicht kostendeckend operieren und bezuschusst werden müssen.

International gibt es Beispiele für Nachtzüge, die auch im Tagverkehr zum Einsatz kommen. Hierbei handelt es sich allerdings in den meisten Fällen um touristisch genutzte Verbindungen, die mehrtägige Routen anbieten. Zum Teil werden auch Strecken im planmäßigen Verkehr mit entsprechend ho-her Nachfrage bedient, wie beispielsweise die Transsibirische Eisenbahn oder auch Nachtreisezüge der Russischen Eisenbahn in europäischen Langläufen. Dabei kommen häufig Abteilwagen zum Einsatz, die im Tagverkehr Sitz- und im Nachtverkehr Liegebänke bieten.

Ein etabliertes Fahrzeugkonzept, das sowohl tag- als auch nachtzugtauglich ist, jedoch nie wirklich im reinen Tagverkehr eingesetzt wurde, sind in Europa klassische Liegewagen mit einer Belegung von vier oder sechs Personen pro Abteil. Hier können die Liegen zu Tagesrandzeiten hochgeklappt wer-den und bis zu sechs Personen im Abteil sitzen. Der Sitzkomfort entspricht dabei jedoch in der Regel nicht jenem heutiger Sitzwagen des Fernverkehrs.

Ziel des Projektes ist es, Konzepte zu erarbeiten, die das Betriebsspektrum von Nachtreisezügen erhöhen, indem deren Fahrzeugausstattung auch für den Einsatz am Tag geeignet ist. Dadurch wer-den Langläufe mit besserer Verteilungsfunktion im Vor- und Nachlauf genauso möglich wie Einsätze im ausschließlichen Tagverkehr, welche ineffiziente Stillstandzeiten vermeiden. Um entsprechende Konzepte erarbeiten zu können, werden folgende Arbeitsschritte durchgeführt:

1) Benchmark Eisenbahn: Es werden global Nachtzüge hinsichtlich deren Einsatzspektrum, deren Ausstattungsmerkmale und deren Wirtschaftlichkeit untersucht. Ebenso werden Ausstattungselemente von Tageszügen erhoben, die einen multiplen und flexiblen Einsatz ermöglichen.

2) Benchmark andere Verkehrsmittel: Es werden andere Verkehrsmittel, welche ebenso in der Nacht und am Tag im Einsatz sind, untersucht. Dazu zählen Angebote für die Personenbeförderung wie Langstrecken-Flugzeuge (v.a. Konzepte der höheren Buchungsklassen), Reisebusse oder Kreuz-fahrtschiffe. Es werden aber auch Konzepte untersucht, die dem Personal oder eine rein privaten Einsatzzweck dienen, wie Fahrerkabinen in Lkws, Personalkabinen in der Frachtschifffahrt oder auch Ausstattungen von Wohnmobilen.

3) Benchmark Raumausstattung: Es werden Systeme untersucht, die das Wohnen unter sehr beengten Verhältnissen ermöglichen. Dazu gehören Miniwohnungen und Tiny Houses oder Low-Cost-Hotels mit Minisuiten.

4) Reisendenanforderungen und Nachfrageabschätzung: Aus einem internationalen Benchmark und vorhandenen Studien sowie Expert*innenwissen im Konsortium, ergänzt kontextuelle Kund*inneninterviews, werden klare Anforderungen aus der Sicht von Reisenden an entsprechende Züge definiert. Diese Anforderungen beinhalten auch das wichtige Thema der Barrierefreiheit. Gleich-zeitig wird die Nachfrage nach entsprechenden Zugkonzepten abgeschätzt.

5) Betreiberanforderungen: Auf der Grundlage von Expert*inneninterviews mit erfahrenen Angebotsplanern und Strategieentwicklern europäischer Eisenbahnverkehrsunternehmen werden die Anforderungen potenzieller Betreiber innovativer Tag-/Nachtzüge identifiziert. Konkret sollen insbesondere bestehende Erkenntnisse zu relevanten Marktsegmenten und marktfähige Zielkosten je Sitz-/Schlafplatz erhoben werden. Ein weiterer Aspekt ist die prioritäre Auslegung des Konzepts auf Neufahrzeuge oder als Umbaustrategie für Bestandsfahrzeuge.

6) Es werden mögliche Einsatzgebiete für Tag-/Nachtzuge in Europa definiert. Dabei geht es um potentielle (HGV)-Langläufe und um reine Tagverkehre. Es wird ausgearbeitet, ob für ausgewählte Strecken auch im reinen Tagverkehr die komfortabler ausgestatteten Nachtzüge sinnvoll zu Einsatz kommen können und ob Bedarf durch komfortbewusste und weniger preissensible Personen besteht. Beispielsweise kann für Geschäftsreisende, Familien oder komfortbewusste Privatreisende für mehr-stündige Tagfahrten der Bedarf nach Privatkabinen bestehen.

7) Technische, rechtliche und betriebliche Anforderungen: Es werden alle Anforderungen definiert, die für die Umsetzung und einen entsprechenden Betrieb erforderlich sind.

8) Konzepterstellung: Aus den vielfältigen Informationen der Benchmarks, den Anforderungen potentieller Reisender und Betreiber sowie den technisch-rechtlich-betrieblichen Anforderungen werden in Kombination mit innovativen Gestaltungsideen im Konsortium mögliche Konzepte erarbeitet, die dem Einsatzspektrum von Nacht- und von Tageszügen entsprechen und auch die vielfältigen, sehr unter-schiedlichen Anforderungen der Reisenden bestmöglich berücksichtigen. Es werden Konzepte aus-gearbeitet, die generell durch eine möglichst gute Flexibilisierung die mögliche Auslastung im Tagesverkehr erhöhen werden. Die Konzepte werden dabei so erstellt, dass sie für neue Fahrzeuge tauglich sind, zum Teil aber auch für bestehende Züge im Rahmen eins Refurbishments zur Anwendung kommen können.

9) Die erarbeiteten Konzepte für diverse Ausstattungskomponenten in Kombination mit den Einsatzszenarien werden einer konkreten Machbarkeitsuntersuchung unterzogen. Dabei werden die Wirtschaftlichkeit, die generelle Machbarkeit und Nutzbarkeit der Systeme kritisch geprüft. Dazu werden 3D-Visualisierungen, konkrete 3D-Modelle oder bei Bedarf stark vereinfachte Mock-Ups für Funktionalitätstest erstellt. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wird das Gesamtsystem inkl. das mögliche betriebliche Einsatzspektrum berücksichtigt. Im Rahmen der generellen Machbarkeit wird die Umsetzbarkeit unter Berücksichtigung der relevanten Normen überprüft.

Das Projekt wird klar aufzeigen, ob und unter welchen Voraussetzungen Nachtzüge entwickelt und in Verkehr gesetzt werden können, die auch für den Einsatz im Tagesverkehr unter Berücksichtigung der engen ökonomischen Rahmenbedingen geeignet sind. Dabei wird ein Gesamtsystem entworfen, welches neben konkreten Ausstattungsmerkmalen der Fahrzeuge geeignete Einsatzszenarien, teilweise heruntergebrochen auf Einsatzstrecken, aufzeigt. Das Projekt wird die Wirtschaftlichkeit und die Umsetzbarkeit beurteilen und konkrete Umsetzungsmaßnahmen vorschlagen.

Ansprechpartner: DI Dr. Bernhard Rüger